Sicherung der Solvenz hessischer Reha-Kliniken angesichts Covid-19-bedingter Einnahmeausfälle

Kleine Anfrage – Drucksache 20/3489

Lisa Gnadl (SPD), Dr. Daniela Sommer (SPD), Karina Fissmann (SPD) und Knut John (SPD) vom 27.08.2020

und

Antwort Minister für Soziales und Integration

Vorbemerkung Fragesteller:
Die Covid-19-Pandemie hat auch Auswirkungen auf die hessischen Vorsorge- und Rehabilitationskliniken. Nach der 5. Corona-Verordnung des Landes Hessen waren sie aufgefordert, in der Hochphase der Beschränkungen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens, alle nicht dringend notwendigen medizinischen Behandlungen und Eingriffe auszusetzen und bereits aufgenommene Patientinnen und Patienten, bei denen nicht dringend notwendige Behandlungen und Eingriffe noch nicht begonnen worden waren, zu entlassen. Die drastischen Belegungsrückgänge haben zu großen Einnahmeausfälle bei den hessischen Reha-Einrichtungen geführt. Zudem brachen durch abgesagte, nicht dringend notwendige Operationen auch die anschließenden Rehabilitationen weg. Patientinnen und Patienten, die für eine Reha-Maßnahme eingeplant waren, haben zum Teil aus Angst vor einer Infektion ihre Reha abgesagt oder verschoben.

Im Rahmen der GKV sollten Reha-Kliniken als Ersatzkrankenhäuser Bettenkapazitäten bereithalten. Bei Leerständen wurde dazu nach dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz eine Vorhaltepauschale in Höhe von 60 % des durchschnittlichen GKV-Vergütungssatzes pro leerstehendem Bett gezahlt, von Seiten der Renten und Unfallversicherung wurden 75 % erstattet. Ambulante Reha-Zentren und Privatkliniken erhalten jedoch auf Grundlage dieses Gesetzes keine Ausgleichszahlungen. Zudem sind bei bestehenden Verträgen (etwa mit
der Rentenversicherung) auch Ausgleichszahlungen nach dem Sozialdienstleistereinsatzgesetz (SoDEG) bis zu 75 % der Ausfälle möglich.

Vorbemerkung Minister für Soziales und Integration:
Rehakliniken nehmen selbst regelmäßig keine Eingriffe vor. Sie dienen vielmehr der Vorbeugung vor einem möglichen Verlust der Erwerbsfähigkeit. Sie waren daher zu keinem Zeitpunkt von den Regelungen der 5. Verordnung der Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus hinsichtlich des Verbots elektiver Eingriffe betroffen. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden zum größeren Teil auf Kosten der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung erbracht.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:
Frage 1. Wie hoch waren die durch Covid-19-Folgen verursachten Einnahmeausfälle der hessischen Reha-Einrichtungen bis Mitte August 2020?

Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration hat hierzu den Landesverband der Privatkliniken in Hessen e.V. befragt. Gemäß einer Umfrage des Landesverbands wird deutlich, dass sich in den zurückliegenden Monaten die Belegung der Reha-Kliniken quasi halbiert hat. Statt einer Auslastung von über 90 % lag diese im April bei 43 %, im Mai bei 46 % und im Juni bei 65 %. Ohne Berücksichtigung der
Kliniken mit neurologischen Fachabteilungen würde die Belegung im zweiten Quartal 2020 noch deutlich niedriger ausfallen.

Nach Auskunft des Landesverbands ist der Grund darin zu sehen, dass beispielsweise orthopädische Reha-Kliniken vorwiegend Patientinnen und Patienten versorgen, die im Anschluss an einen planbaren Eingriff im Akutkrankenhaus (z.B. Einsetzen einer Endoprothese) eine Rehabilitation absolvieren.

Wie hoch die Einnahmeausfälle 2020 tatsächlich ausfallen werden, ist nach Auskunft des Landesverbands derzeit noch nicht zu beziffern, weil beispielsweise noch unklar ist, wie die Kurzarbeit auf die Ausgleichszahlung aus dem SodEG angerechnet wird.

Frage 2. Welcher Prozentsatz dieser Einnahmeausfälle wird den Einrichtungen auf Grundlage des Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes und des SoDEG erstattet?

Nach § 111 d Abs. 1 SGB V (a. F.) erhalten Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mit einem Versorgungsvertrag nach § 111 Absatz 2 für die Ausfälle der Einnahmen, die seit dem 16. März 2020 dadurch entstehen, dass Betten nicht so belegt werden können, wie es vor dem
Auftreten der SARS-CoV-2-Pandemie geplant war, Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Nach § 111 d Abs. 2 SGB V ermitteln die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen die Höhe der Ausgleichszahlungen nach Absatz 1, indem sie täglich, erstmals für den 16. März 2020, von der Zahl der im Jahresdurchschnitt 2019 pro Tag stationär behandelten Patientinnen und Patienten
der Krankenkassen (Referenzwert) die Zahl der am jeweiligen Tag stationär behandelten Patientinnen und Patienten der Krankenkassen sowie die Zahl der nach § 22 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes behandelten oder nach § 149 des Elften Buches oder § 39c zur Kurzzeitpflege aufgenommenen Patienten abziehen. Sofern das Ergebnis größer als Null ist, ist dieses mit der tagesbezogenen Pauschale nach Absatz 3 zu multiplizieren.

Nach § 111 d Abs. 3 SGB V beträgt die tagesbezogene Pauschale 60 % des mit Krankenkassen vereinbarten durchschnittlichen Vergütungssatzes der Einrichtung nach § 111 Absatz 5. In Hessen waren bzw. sind 98 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und drei Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartige Einrichtungen im Sinne von § 111 SGB V anspruchsberechtigt. Im Zeitraum vom 16. März 2020 bis zum 30. September 2020 haben insgesamt 87 Einrichtungen rund 14,5 Mio. € erhalten. Nach dem SodEG haben die Leistungsträger den besonderen Sicherstellungsauftrag nach § 2 SodEG durch Auszahlung von monatlichen Zuschüssen an die einzelnen sozialen Dienstleister zu erfüllen, § 3 Satz 1 SodEG. Die Brechung folgt § 3 Satz 2 ff. SodEG. Danach beträgt der monatliche Zuschuss höchstens 75 % des Monatsdurchschnitts nach Satz 2, § 3 Satz 5 SodEG.

Vom Anwendungsbereich des SodEG sind jedoch diejenigen Einrichtungen ausgenommen, die nach KGH, SGB V oder SGB XI finanziert werden. Eine Rückausnahme wurde mit der ersten Änderung des SodEG eingeführt. Nunmehr wurden auch die Leistungsträger nach dem SGB V verpflichtet, interdisziplinäre Frühförderstellen und Sozialpädiatrische Zentren sowie nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen in ihrem Bestand zu sichern, soweit diese Leistungen der interdisziplinären Früherkennung und Frühförderung nach § 42 Abs. 2 Nr. 2 und 46 SGB IX in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung erbringen. Dabei handelt es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation in Form der Komplexleistung, bei der medizinische Leistungen der Früherkennung und Frühförderung sowie weitere nichtärztliche Leistungen zusammenfließen.

Im Übrigen bleibt es bei der Ausnahme für die Leistungsträger nach dem SGB V und SGB XI. Mit der letzten Änderung des SodEG durch Gesetz vom 20. Mai 2020 wurde der neue Satz 2 des § 4 SodEG eingefügt. Nach Satz 2 haben Leistungsträger nun auch einen nachträglichen Erstattungsanspruch gegenüber Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, wenn diese Vergütungen nach § 22 KHG und § 149 SGB XI i.d.F des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes erhalten haben. In der Begründung heißt es hierzu: „Es wird konkretisiert, dass diese Vergütungen ebenfalls als vorrangige Mittel zu berücksichtigen sind. Da eine Rehabilitationseinrichtung zu gleich von mehreren Trägern belegt sein kann (z.B. durch die Deutsche Rentenversicherung und durch die Gesetzliche Krankenkasse), darf jeweils nur die Vergütung nach § 22 KHG angerechnet werden, die das jeweilige Rechtsverhältnis zum Leistungsträger betrifft. Die Ergänzung verdeutlicht zudem die Nachrangigkeit der Zuschüsse nach dem SodEG; die Regelung dient der Vermeidung erheblicher finanzieller Überlastungen der Trägerhaushalte. Dadurch wird die Verpflichtung der Leistungserbringer betont, alle zumutbaren und rechtlich zulässigen Unterstützungsmöglichkeiten auszuschöpfen um die Kosten für die Leistungsträger (u. a. der Unfall- und Rentenversicherung)
überschaubar zu halten.“ (Drucks. 19/18966).

Frage 3. Wie wirken sich die (nicht erstattungsfähigen) Einnahmeausfälle auf die Solvenz und den Fortbestand
der Einrichtungen aus?

Frage 4. Wie wirken sich die Einnahmeausfälle und weitere coronabedingte Effekte insbesondere auf die
Mutter-Kind-Rehakliniken aus?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Hierzu liegen der Landesregierung noch keine Erkenntnisse vor. Es bleiben zunächst die Auswirkungen der erneuten Ausgleichszahlungen an Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartige Einrichtungen seit dem 18. November 2020 abzuwarten.

Frage 5. Welche Reha-Einrichtungen haben sich in Schreiben an die Landesregierung gewandt, weil sie um
die Solvenz und den Fortbestand ihrer Einrichtungen fürchten?

Es haben sich insgesamt drei Reha-Einrichtungen an das Hessische Ministerium für Soziales und Integration gewandt.

Frage 6. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die unter den Covid-19-bedingten Einnahmeausfällen leidenden Einrichtungen über die bundesgesetzlich geregelten Hilfen hinaus zu unterstützen?

Frage 7. Erwägt die Landesregierung ein hessisches Hilfspaket für Reha- Einrichtungen (etwa nach dem Vorbild des vom Land Bayern bereits im April aufgelegten Hilfspakets), das die Vorhaltepauschalen mit Landesmitteln aufstockt und auch Privatkliniken und ambulante Reha- Zentren unterstützt? Wenn nein, warum erachtet die Landesregierung dies nicht für nötig?

Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Zur Verhinderung und Abmilderung wirtschaftlicher Schäden, die aufgrund der Corona-Virus-Pandemie entstanden sind, unterstützt das Land Hessen u. a. Selbstständige und gewerbliche Unternehmen, wie z. B. Privat-Krankenanstalten, mit verschiedenen Angeboten wie Zuschüssen, Darlehen und Bürgschaften. Unabhängig davon begrüßt die Landesregierung die Fortführung der Ausgleichszahlungen an Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartige Einrichtungen seit dem 18. November 2020.

 

Die Kleine Anfrage im PDF-Download finden Sie hier: 03489